Normalerweise übe ich in einem eher kleinen Raum – meinem Arbeitszimmer. Ich habe ihn, damit nicht die gesamte Nachbarschaft vom Stuhl fällt, wenn ich übe, mit entsprechenden Akustik-Dämmaterialien abgedämmt, was auch ganz gut funktioniert.
Nach soviel Bequemlichkeit und Rücksicht kann ich täglich ganz gut für mich üben und so habe ich mich Tag für Tag an den Klang, der in diesem kleinen, gedämmten Raum entsteht gewöhnt.
Nun heißt mein schönes Instrument allerdings „Waldhorn“ und nicht „Arbeitszimmerhorn“ oder „kleine Zelle Horn“ und schon bei den Proben unseres Orchesters bin ich immer wieder überrascht, wie stark der Klang in einem Probenraum bzw. im Konzertsaal von dem differiert, was ich beim täglichen üben im Ohr habe.
Mein Ziel als Hornist ist ja gerade der freie, weit tragende Klang. Der nach hinten weisende Schallbecher projeziert den Klang zusätzlich genau vom Publikum, vom Hörer, weg, wird also im wesentlichen indirekt wahrgenommen. Der kleine Übungsraum ist also ein eher nicht „artgerechtes Habitat“ für mein Horn und das Klangerlebnis wahrscheinlich nicht einmal mit dem vergleichbar, was ein Zuhörer während einer Kammermusikaufführung mit Horn erlebt. Und doch brenne ich genau diesen Klang beim täglichen Üben mit jeder durchgeführten Übung in mein „Klanggedächtnis“ ein.
Beim Blasorchester Winterthur habe ich folgendes gefunden:
Das Waldhorn ist der König unter den Blechblasinstrumenten. Wie schon sein Name sagt, wurde es von Jägern im Wald benutzt, um sich durch Signale miteinander zu verständigen. Das Waldhorn hat einen weichen, tragenden Klang, der weithin zu hören ist und das Wild nicht erschreckt.
Im Internet gibt es einige Videos, die zeigen, wie Tiere auf den Klang des Waldhorn reagieren. Andrew McAfee, der Schöpfer der von mir übersetzen Waldhorn Schule, hat z. B. einmal vor eine Herde von Kühen gespielt. Die Reaktionen sind interessant – und völlig anders als z. B. die Reaktion auf Trompete oder Geige:
Aber mal abgesehen von solchen Späßen habe ich in den letzten Wochen, mit Beginn des schönen Frühlingswetters, immer wieder einmal draußen im Freien gespielt. Der Klang entfaltet sich hier völlig anders! Allein die Enge meines Übungszimmers zu hause führt unbewusst dazu, daß ich mich beim spielen zurückhalte – vielleicht steckt da die Furcht dahinter „bloß nicht zu laut“ zu spielen?
Draußen verändert sich auch quasi automatisch meine Wahrnehmung und damit die Handhaltung der rechten Hand im Schallbecher. Zuhause dämpfe ich unwillkürlich den Schallbecher stärker ab – sicher auch, damit ich selbst einen dunkleren, weicheren Klang höre, denn der Schall wird ja von den nahen Wänden sehr direkt zu mir zurückgeworfen. Allein um den Klang im Freien schöner und tragfähiger zu gestalten, bin ich quasi gezwungen, den Schallbecher frei und offen zu lassen.
Alles in allem: wenn ich es einrichten kann, spiele ich auch mal im Freien. Damit erreiche ich ein anderes Klangbewusstsein, verbessere die Handhaltung im Becher und atme auch noch Literweise frische Luft ein! Zugegeben: Spaß macht das Spielen im Freien auch.
Das letzte Mal am Waldrand sind auch Rehe an mir vorbeigezogen – ich kann damit auch aus eigener Erfahrung bestätigen: Wildtiere werden durch ein Waldhorn nicht gestört!